Wir schreiben das Jahr 1750. Pabitra. 19 Jahre. Frisch
verheiratet. In ihrem Bauch wächst gerade ein kleiner Junge heran. Ihr Mann?
Ein Farmer. Sie leben im Grenzland zwischen Nepal und Tibet. Eine arrangierte
Ehe. Pabitra ist glücklich, sie hat alles was sie braucht. Genug Essen, eine
Familie und auch die Verwandten ihres Mannes sind gut zu ihr.
Dann kommt der Monsun. Eines Abends kommt ihr Mann nicht
mehr von den Feldern zurück. Am Morgen erfährt sie, dass es eine Schlammlawine
gegeben hat. Ihr Mann wird geborgen- tot.
2 Tage später findet das Begräbnis statt. Nach
hinduistischem Brauch wird der Leichnam des Mannes verbrannt. Pabitra läuft an
vorderster Front des Trauerzuges. Sie ist weiß gekleidet.
Es sind die letzten Minuten ihres Lebens. Gleich wird sie
sich in den Scheiterhaufen zu ihrem Mann legen. Keiner trauert um sie. Das ist
ihre Pflicht. Wird erwartet. Auch Pabitra trauert nicht. Der Tod ist eine
schönere Vorstellung als das Leben als Witwe.
Was ist dieser Sati?
Der Name leitet sich ab von der Göttin Sati, die sich selbst
verbrannte, nachdem ihr Vater es versäumt hatte, ihren Gatten Shiva zu einem
Festmahl einzuladen. Der Ursprung der Witwenverbrennung ist aber unbekannt.
Die ersten Erwähnungen von Witwenverbrennungen finden sich
in den alten indischen Epen aus dem Jahre 316 v. Chr. Diese berichten, dass
sich die Frau eines indischen Generals, der in der Schlacht gefallen war, mit
dem Leichnam ihres Mannes auf dessen Scheiterhaufen verbrenne ließ.
In den ersten Jahrhundert nach Christus war der Sati fest in
der hinduistischen Kultur verankert. Witwen hatten denselben Status wie
Aussätzige, und so zogen viele den Tod einem Leben in Schmach vor. Eine
Wiederheirat war ausgeschlossen, eine Frau gehörte auch nach dem Tod an die
Seite ihres Mannes. Allein der Blick bzw. die Stimme eine Witwe galt als Fluch
und ihre Anwesenheit verbreitete Unglück in der ganzen Gemeinschaft.
Im Laufe der Jahrhunderte wurden tausende Sati vollzogen.
Oft wurden die Frauen in das Feuer gezwungen, wenn sie sich weigerten, wurden
sie von dem Familienangehörigen mit Eisenstäben in das Feuer gestoßen. Viele
gingen jedoch völlig freiwillig in den Feuertod.
Eine Variante des Sati war der Jauhar- die
Massenverbrennung. Wenn feindliche Armeen kurz davor standen eine Stadt einzunehmen
verbrannten sich tausende von Frauen und Kindern um den Vergewaltigungen zu
entgehen. So geschehen in Chitorgah in Rajasthan als sich im Jahre 1535 13000
Frauen verbrannten.
Die ersten Maßnahmen gegen Sati wurden von den muslimischen
Herrschern im Nordindien eingeführt. Dabei hatte die Frau vorher eine
Genehmigung zu unterschreiben, dass sie freiwillig in den Tod ging. Aber auch
das wurde nicht besonders gut eingehalten und so wurden Frauen zu der
Unterzeichnung gezwungen.
Im Jahr 1510 ergriffen die Portugiesen strenge Maßnahmen
gegen Sati. So wurden Familienangehörige, die die Frau zum Tode zwangen streng
bestraft. Schon bald galt der Sati in den portugiesisch besetzten Gebieten als
beseitigt.
Die Briten gingen das Problem viel langsamer an. Erst im 19.
Jahrhundert verabschiedeten sie ein Gesetz gegen Sati, da die sie Angst vor
Aufständen in der Bevölkerung hatten, die aber dann ausblieben. Ende des 19.
Jahrhunderts versuchte ein fortschrittlicher Inder, Jang Bahadur Shah, gegen
die Witwenverbrennung anzukämpfen. Er sollte aber zum Scheitern verurteilt
werden, nach seinem Tod bestanden drei seiner Frauen darauf mit ihm verbrannt
zu werden.
Im Jahr 1920verbschiedete der Premierminister ein Gesetz
gegen die Witwenverbrennung und schwor damit den Zorn vieler Hindus hervor-
auch vieler Frauen.
Aber warum? Warum haben sich die Hindus so verhalten?
Gelegentlich wurde die Ansicht vertreten, dass der Sati die
Perversion eines alten Hindu- Brauches war. Hierbei legte sich die Witwe neben
den Scheiterhaufen ihres Mannes und symbolisierte somit ihren eigenen Tod. Nach
einiger Zeit wurde sie von den Verwandten wieder ins Leben gezogen. Der
deutsche Indologe Friedrich Max- Müller hat allerdings eine ganz andere
Erklärung. Laut Müller beruht der Sati auf einer Fälschung eines Sanskrit-
Manuals. Ursprünglich war propagiert, dass die Witwe an der Spitze des
Trauerzuges zu gehen hatte. „An der Spitze“ heißt auf Sanskrit „agre“. Durch
einen kleinen Federstreich wechselten die Hindu- Priester dieses aber in
„agneh“ – „ins Feuer“.
Das Fälschen von Schriften war keine Seltenheit. Die Witwen
wurden Opfer eines dramatischen Betrugs.
Warum taten die Hindu- Priester das?
In ihren Augen war die Frau der Quell alles Bösen. „ Ein
Mann mit einhundert Zungen, der einhundert Jahre alt werden würde, wäre nicht
dazu imstande, all die Laster und Fehler der Frau aufzuzeigen.“
Sehr interessant ist, dass die Hindi- Vokabel
„Prostituierte“ (randi) mit dem Hindi- Begrff „Witwe“ (randa) verwandt ist. Von
der Witwe zur Prostituierten war es nur ein kleiner Schritt.
Gegen Prostituierte und Frauen in ihren Tempeln hatten die
Brahmanen allerdings dann wiederum nichts.
Und heute?
Offiziell gilt der Sati als beendet. Doch es gibt immer noch
mysteriöse Fälle von verschwunden Witwen. Vor allem im indischen Rajasthan. In
Nepal gibt es (offiziellen Angaben nach) keinen Sati. Wobei nicht
ausgeschlossen ist, dass in entlegenen Gebieten noch Menschenopfer gebracht
werden. Selbst in Kathmandu gibt es noch Augenzeugen von Menschenopfern, die im
hinduistischen Tempel Dakshankali (dem Tempel, den wir vor 2 Wochen besucht
haben) vollbracht wurden.
Wir schreiben das Jahr 1705. König Yoganarendra von Patan
wird vergiftet. Ein angesehener König. Seinem Volk geht es gut.
Er hatte viele Ehefrauen. Viele Kinder. Noch mehr Enkel.
Der Scheiterhaufen ist riesig. 31 seiner Frauen verbrennen
sich. Die höchste Zahl die jemals in Nepal verzeichnet worden war.
Wochenrückblick:
In dieser Woche verbrachte ich viel Zeit bei Jeevan, meinem
Shopkeeper um die Ecke. Wir redeten über Nepal und mit wurde einmal mehr
bewusst, wie glücklich wir uns in Deutschland schätzen können.
Auch das Moskito- Problem habe ich voll in Angriff genommen
und so versprühe ich jeden Abend literweiße Moskito-Killer Spray im Zimmer.
Bevor ich dann ins Bett gehe, werden erstmal 20 Moskitos aufgesammelt die ihre
letzte Ruhe gefunden hatten. Wäre da nicht der alltäglich bis 22 Uhr andauernde
Lärm, der um 5 Uhr früh wieder einsetzt, könnte ich mittlerweile echt gut
schlafen. An das Bett habe ich mich gewöhnt. Am Mittwoch war wieder
Spender-Tag. Da die Kinder kaum Schulbücher haben und oft keine Hausaufgaben
deshalb machen können, kauften wir eine ganze Menge Bücher und bezahlten noch
ein bisschen die Schulgebühr. Danke hierfür an Familie Lumpp und alle Spender!
Als ich mir dann die Schule anschaute und in eine 10. Klasse reinging, standen auf einmal alle auf und sprachen "Namaste, Sir" im Chor. Ich wusste erstmal nicht was ich machen soll und sagte halt auch "Namaste". Sie standen solange bis der Direktor ihnen sagte sie könnten sich wieder setzen.
Das Dal Baht wird so langsam zum echten Problem und mein
Magen machte diese Woche nicht mehr mit, aber was will man machen, eine
Alternative gibt es wohl nicht.
Ansonsten wurde mir nepalesischer Tanzunterricht gegeben,
und ich lernte das ein oder andere nepalesische Curry Gericht.
Auch einige Zweifel bzw. Ungereimtheiten fallen mir
mittlerweile hier auf. So wurde zum Beispiel einem jungen, der eine übel
aussehende Ohrinfektion hat, einfach ein paar Ohrtropfen ins Ohr gemacht-
„medicine, tomorrow better“. Von wegen. Auch als ich fragte, ob Guru immer noch
ihre Medizin gegen die Stiche nimmt, fragte er mich ob sie überhaupt noch
Stiche habe. Als ich ihm sagte, er solle doch einfach mal schauen, meinte er
nur dass die Medizin alle ist. Puh. Bin gespannt wie sich das weiter
entwickelt. Ist ja alles gut ein Waisenhaus aufzuziehen, aber da viele
Horrorgeschichten kursieren halte ich hier meine Augen offen. Vertrauen tue ich
ihnen nicht. Und alles was ich hier mache ist für die Kinder und nicht für
seine Familie, und das ist ja das warum ich hergekommen bin.
Auch als ich eines der älteren Mädels mal zur Rede stellte
warum sie einfach so die Kleinen schlägt meinte sie nur „Nepal is different“.
Na dann. Als ich sie dann fragte, ob sie wollte, dass ich sie schlage, meinte
sie nur in der Schule und früher wurde sie auch geschlagen. Mittlerweile wird auch schon das nächste
Mädchen zur „Polizistin“ ausgebildet. Dass man dagegen nichts unternehmen kann
ist schon schwer.
Gestern traf ich mich wieder mit Sha in Thamel. Wir gingen
hervorragende Pizza essen, tranken Bier und gönnten uns Eis. Den Sonntag
braucht man hier wirklich.
Aber die Kids sind immer noch fantastisch. Sie sind nun so
gut wie völlig aufgetaut und haben kaum Hemmungen mehr vor mir. Die Zeit mit
ihnen ist wirklich superschön.
Bis dahin, und bis nächste Woche!
Pardip, Nani, Pabitra, Sarisma, Bisu
Endlich "Mensch-ärgere-dich- nicht!"
Manjary Secondary Highschool
Sangbo freut sich über neue Bücher
Dal Baht Power.