Samstag, 10. August 2013

Über 90 Tage bin ich nun in Nepal. Am Montag heißt es Abschied nehmen von einem der schönsten und sicherlich faszinierendsten Ländern, die ich bisher besucht habe.
142 Dal Bhats habe ich zu mir genommen, viele neue Freunde gefunden und eine unglaublich Zeit erlebt. 
Sicherlich ist es widersprüchlich Geld zu zahlen, um in einem Entwicklungsland zu „helfen“. Aber es war jeden Cent wert. Ich bin wirklich froh, das gemacht zu haben, habe viel gelernt, Sachen gesehen, und einen Blick auf manche Dinge bekommen,  die ich hoffentlich mein ganzes Leben nicht vergesse.


Zum Abschluss noch einige Tops und Flops der letzten 3 Monate. Danke fürs Lesen und Kommentieren!

Namasté, Jonas

Top 1: Die Nepalesen

Läuft man durch Straßen Kathmandus fällt es einem augenscheinlich auf. Die Menschen lächeln einen an. Geht man in einen Laden, lassen sie meist alles stehen und liegen um einen zu bedienen. Natürlich sind wir Touristen und bringen Geld, doch auch auf der Straße sprechen einen wildfremde Menschen an, fragen wie es einem geht, was man macht und ob man Hilfe benötigt.
Trotz der Probleme in ihrem Land sind sie so gut wie immer gut gelaunt, und wenn man sich den Ungerechtigkeiten bewusst ist, denen sie ausgesetzt sind, ist das sehr bewundernswert.
Egal ob Mann oder Frau, jung oder alt, 90% der Menschen hier sind überfreundlich und sie machen es einem leicht, sich in Nepal wohl zu fühlen.


[ nepalesische Männer mit ihren traditionellen Hüten in Patan] 



Flop 1: Die Politik

Ständige Demonstrationen. Geschlossene Schulen. Unbeendete Baustellen. Nepals Politik ist am Boden. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Es fängt beim Wahlbetrug an und hört bei den Maoisten auf. Es geht drunter und drüber. Politiker stecken sich die Gelder in die eigene Tasche, und aufgrund der Vetternwirtschaft haben die wenigsten einen wirklichen Plan von ihrer Arbeit.
Redet man mit Nepalesen über Politik bekommt man als Antwort immer dieselbe: „I’m tired“. Verständlich. Und ohne eine stabile Regierung wird sich Nepal kaum weiterentwickeln und immer weiter verarmen.


Top 2: Religion

2 Weltreligionen prallen in Nepal aufeinander. 80% der Menschen sind (offiziell) Hindus 13% (offiziell) Buddhisten.
Fragt man einen Nepalesen ob er an Buddha oder Shiva glaubt, bekommt man als Antwort: „yes“. Am Anfang schaut man ihn fragend an, dann fügt er hinzu „I am Hindubuddhist“.
Damit ist schon alles gesagt. Hindus gehen zum buddhistischen Stupa und sagen ihr "Hum mane padme om" auf. Buddhisten gehen in den Hindutempel und lassen sich die Tikha geben. Probleme hat damit keiner, komisch geschaut wird auch nicht.
Die Nepalesen bilden eine Einheit, egal welcher Religion sie angehören, aus welcher Region sie kommen und welche Sprache sie sprechen (es gibt über 90).
Dass zwei solch bedeutenden Religionen friedlich auf einem solch kleinen Raum leben ist bewundernswert, und davon könnten sich andere Religionen und Länder gerne eine Scheibe abschneiden.


[ Dakshankali ] 




Flop 2: Bildung

Eine kleine Hütte in den Bergen. Ein Zimmer. 30 Kinder im Alter zwischen 5 und 15. Sie alle besuchen die selbe Klasse. Wie das gehen soll? Wir befinden uns in den Himalayas…
Schaut man nach Kathmandu ändert sich das Bild. Wie? Es gibt Privatschulen. Dort gibt es ausgebildete Lehrer und es wird Englisch unterrichtet. Wer etwas werden will und eine Arbeit haben möchte, muss eine solche Schule besuchen. Wer das Geld nicht hat, muss auf die staatliche Schule. Und die sehen so aus: Große Klassen, ein Lehrer der keinen Unterricht gibt, Schüler die nicht schreiben und lesen können, ein Lehrer der im Zimmer raucht, Unterricht findet nicht statt. Kein Witz. So sieht das aus.
Dass die Kinder in den Schulen noch geschlagen werden, ist dabei ein eher kleines Problem.





[ Klassenzimmer ] 




Top 3: landschaftliche Vielseitigkeit

Im Süden brühende Hitze. Temperaturen bis 50 Grad. Urwald, Elefanten, Tiger. Das Terai ist die Kornkammer Nepals.
Dann folgt Hügelland. Die Hügel gehen bis auf 4000m hoch.
Anschließend das Himalaya. Höchster Punkt 8848m. Sagarmatha (Himmelskönig).
Von der Grenze zu Tibet bis zur Grenze Indiens sind es gerade einmal 200km. Ungefähr die Strecke von Karlsruhe nach Basel. Dort befinden sich also drei komplett unterschiedliche Landschaftstypen. Das ist zum einen Segen (es ist wirklich bezaubernd schön und vielseitig) aber auch Fluch (Infrastruktur, Handel).
Die Nepalesen lieben ihr Land. Und das zu Recht. Ich habe noch nie eine solche Landschaft wie in Nepal gesehen. Sieht man heute wilde Elefanten und Rhinos im Süden, kann man schon drei Tage später auf 4000m wandern und Yaks beobachten.




[ Reisterrassen in der Anapurna Region ] 



Flop 3: Müll und Hygiene

Wenn es in Deutschland Müllplätze gibt und zweimal in der Woche die Müllabfuhr kommt ist das für die meisten Deutschen nichts Besonderes.
In Nepal gibt es das auch. Müllplätze und die Müllabfuhr.
Ersteres sind die Flüsse und Straßen, zweites viel zu teuer.
Läuft man auf den Straßen gibt es gar keine andere Möglichkeit als über Müllberge zu steigen und nur zu hoffen, dass die Flip Flops halten. Natürlich gibt es auch Familien, die sich die Müllabfuhr leisten können. Aber das sind die wenigsten. Fährt man mit dem Auto oder ist als Fußgänger unterwegs schmeißt man seinen Müll einfach auf die Straße. Aber wohin auch damit wenn es keine Mülleimer gibt? Wieso sollte man sich um den Müll Gedanken machen wenn man täglich ums Essen kämpfen muss?




[ Der Fluss als Müllplatz ] 




Top 4:  Die Kinder und das Waisenhaus                 

Ich kann nicht beschreiben, wie dankbar ich bin diese 9 Wochen in Hattigauda verbracht zu haben. Auch wenn das Haus, die Bedingungen und vor allem mein Bett alles andere als komfortabel waren, so bin ich doch unendlich froh „durchgehalten“ zu haben.
Die Kinder sind fantastisch und gerade in den letzten 2 Wochen konnten viele Zweifel aus dem Weg geräumt werden. Ich hatte eine wirklich tolle Zeit dort und ich habe miterlebt worum viele Menschen alltäglich kämpfen müssen, worüber wir uns überhaupt keine Gedanken machen. 







Flop 4: Infrastruktur

Einen Zug gibt es nicht. Internationale Flughäfen? Nur in Kathmandu. Über das Land verteilt kleiner Flughäfen, einen „größeren“ noch in Phokara.
Die Straßen sind in erbärmlichen Zustand. Vor allem in Kathmandu wird gebaut und gebaut. Am 31. August dreht Indien den Geldhahn zu. Bis dahin fließt Geld zur Verbesserung der Straßen. Das bedeutet Bauen in der Monsunzeit. Folgen: überflutete Straßen, unbefahrbare Abschnitte, Schlaglöcher (teilweise einen Meter tief) auf jeder Strecke. Ganz zu schweigen von den Fahrzeugen, die diese Straßen befahren, meistens Tata.
Eine Zuglinie gibt es sowieso nicht, es gibt nur eine Strecke aus Indien an die nepalesische Grenze.
Wichtigstes Fortbewegungsmittel sind die eigenen Füße. Über 4000 Hängebrücken sind im Land verteilt. Waren werden zu Fuß von „Trägern“ transportiert. Nur große Mengen (Nahrungsmittel, Öl,…) werden aus dem Süden mit buntbemalten Lastwagen nach Kathmandu gefahren.





[ Straße in Hattigauda ]



Top 5: Spenden

 Über 1800 € an Spenden sind bei mir eingegangen. Davon wurde Miete, Reis, Gemüse, Schulgebühr, Schulbücher, Ausflüge, und, und, und bezahlt. Außerdem gab es noch Kleider und Kuscheltierspenden, die zum Abschluss 25 strahlende Gesichter hervorgebracht haben. Allein diesen Moment werde ich wohl nicht vergessen.
Mir bleibt nicht mehr, als im Namen aller „Danya Bad“ zu sagen!

Jeder Cent wurde verwendet und kam 100% bei den Kindern an! 




Flop 6:  Zukunftsaussichten

Das BIP pro Kopf liegt bei 626 $ pro Jahr. Damit liegt Nepal auf Platz 167. 4 $ vor Afghanistan und 2 $ hinter Mali. Damit ist Nepal eines der ärmsten Länder Welt. Ohne ausländische Entwicklungshilfe würde hier rein gar nichts gesehen.
Und die Zukunft sieht nicht viel besser aus. Bürgerkriege und die momentane politische Situation lassen nichts Gutes hoffen. Wichtigster Devisenbringer ist der Tourismus (50 Millionen Euro), zweit wichtigster der Export tibetischer Teppiche (25 Millionen Euro). Dabei sieht man schon, dass die Wirtschaft am Boden ist. Vom Norden wird Nepal von China unterdrückt, im Süden hält Indien dagegen. Eingekeilt in die zwei bevölkerungsreichsten Staaten der Welt gibt es keinen großen Spielraum für das Land. Was Indien bzw. China sagt, muss getan werden.
Um das Land voranzutreiben muss erstmal eine stabile Regierung her. Viele Nepalesen sind der Meinung, dass die einzige Möglichkeit ein Diktator oder ein König ist. Aber letzteres ist mit den Maoisten nicht zu machen, die weite Landesteile kontrollieren.
Freie Wahlen gibt es sowieso nicht.

Ausländische Investoren investieren keinen Cent in Nepal. Das Geld landet nur im korrupten Staatsapparat. Eine Besserung ist nicht in Sicht.