Über 90 Tage bin ich nun in Nepal. Am Montag heißt es
Abschied nehmen von einem der schönsten und sicherlich faszinierendsten
Ländern, die ich bisher besucht habe.
142 Dal Bhats habe ich zu mir genommen, viele neue Freunde
gefunden und eine unglaublich Zeit erlebt.
Sicherlich ist es widersprüchlich Geld zu zahlen, um in einem Entwicklungsland
zu „helfen“. Aber es war jeden Cent wert. Ich bin wirklich froh, das gemacht zu
haben, habe viel gelernt, Sachen gesehen, und einen Blick auf manche Dinge
bekommen, die ich hoffentlich mein
ganzes Leben nicht vergesse.
Zum Abschluss noch einige Tops und Flops der letzten 3
Monate. Danke fürs Lesen und Kommentieren!
Namasté, Jonas
Top 1: Die Nepalesen
Läuft man durch Straßen Kathmandus fällt es einem augenscheinlich
auf. Die Menschen lächeln einen an. Geht man in einen Laden, lassen sie meist
alles stehen und liegen um einen zu bedienen. Natürlich sind wir Touristen und
bringen Geld, doch auch auf der Straße sprechen einen wildfremde Menschen an,
fragen wie es einem geht, was man macht und ob man Hilfe benötigt.
Trotz der Probleme in ihrem Land sind sie so gut wie immer gut
gelaunt, und wenn man sich den Ungerechtigkeiten bewusst ist, denen sie
ausgesetzt sind, ist das sehr bewundernswert.
Egal ob Mann oder Frau, jung oder alt, 90% der Menschen hier
sind überfreundlich und sie machen es einem leicht, sich in Nepal wohl zu
fühlen.
[ nepalesische Männer mit ihren traditionellen Hüten in Patan]
Flop 1: Die Politik
Ständige Demonstrationen. Geschlossene Schulen. Unbeendete
Baustellen. Nepals Politik ist am Boden. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Es
fängt beim Wahlbetrug an und hört bei den Maoisten auf. Es geht drunter und
drüber. Politiker stecken sich die Gelder in die eigene Tasche, und aufgrund
der Vetternwirtschaft haben die wenigsten einen wirklichen Plan von ihrer Arbeit.
Redet man mit Nepalesen über Politik bekommt man als Antwort
immer dieselbe: „I’m tired“. Verständlich. Und ohne eine stabile Regierung wird
sich Nepal kaum weiterentwickeln und immer weiter verarmen.
Top 2: Religion
2 Weltreligionen prallen in Nepal aufeinander. 80% der
Menschen sind (offiziell) Hindus 13% (offiziell) Buddhisten.
Fragt man einen Nepalesen ob er an Buddha oder Shiva glaubt,
bekommt man als Antwort: „yes“. Am Anfang schaut man ihn fragend an, dann fügt
er hinzu „I am Hindubuddhist“.
Damit ist schon alles gesagt. Hindus gehen zum buddhistischen Stupa und sagen ihr "Hum mane padme om" auf. Buddhisten gehen in
den Hindutempel und lassen sich die Tikha geben. Probleme hat damit keiner,
komisch geschaut wird auch nicht.
Die Nepalesen bilden eine Einheit, egal welcher Religion sie
angehören, aus welcher Region sie kommen und welche Sprache sie sprechen (es
gibt über 90).
Dass zwei solch bedeutenden Religionen friedlich auf einem
solch kleinen Raum leben ist bewundernswert, und davon könnten sich andere
Religionen und Länder gerne eine Scheibe abschneiden.
[ Dakshankali ]
Flop 2: Bildung
Eine kleine Hütte in den Bergen. Ein Zimmer. 30 Kinder im
Alter zwischen 5 und 15. Sie alle besuchen die selbe Klasse. Wie das gehen
soll? Wir befinden uns in den Himalayas…
Schaut man nach Kathmandu ändert sich das Bild. Wie? Es gibt
Privatschulen. Dort gibt es ausgebildete Lehrer und es wird Englisch
unterrichtet. Wer etwas werden will und eine Arbeit haben möchte, muss eine
solche Schule besuchen. Wer das Geld nicht hat, muss auf die staatliche Schule.
Und die sehen so aus: Große Klassen, ein Lehrer der keinen Unterricht gibt,
Schüler die nicht schreiben und lesen können, ein Lehrer der im Zimmer raucht,
Unterricht findet nicht statt. Kein Witz. So sieht das aus.
Dass die Kinder in den Schulen noch geschlagen werden, ist
dabei ein eher kleines Problem.
[ Klassenzimmer ]
Top 3: landschaftliche Vielseitigkeit
Im Süden brühende Hitze. Temperaturen bis 50 Grad. Urwald,
Elefanten, Tiger. Das Terai ist die Kornkammer Nepals.
Dann folgt Hügelland. Die Hügel gehen bis auf 4000m hoch.
Anschließend das Himalaya. Höchster Punkt 8848m. Sagarmatha
(Himmelskönig).
Von der Grenze zu Tibet bis zur Grenze Indiens sind es
gerade einmal 200km. Ungefähr die Strecke von Karlsruhe nach Basel. Dort
befinden sich also drei komplett unterschiedliche Landschaftstypen. Das ist zum
einen Segen (es ist wirklich bezaubernd schön und vielseitig) aber auch Fluch
(Infrastruktur, Handel).
Die Nepalesen lieben ihr Land. Und das zu Recht. Ich habe
noch nie eine solche Landschaft wie in Nepal gesehen. Sieht man heute wilde
Elefanten und Rhinos im Süden, kann man schon drei Tage später auf 4000m
wandern und Yaks beobachten.
[ Reisterrassen in der Anapurna Region ]
Flop 3: Müll und Hygiene
Wenn es in Deutschland Müllplätze gibt und zweimal in der
Woche die Müllabfuhr kommt ist das für die meisten Deutschen nichts Besonderes.
In Nepal gibt es das auch. Müllplätze und die Müllabfuhr.
Ersteres sind die Flüsse und Straßen, zweites viel zu
teuer.
Läuft man auf den Straßen gibt es gar keine andere
Möglichkeit als über Müllberge zu steigen und nur zu hoffen, dass die Flip
Flops halten. Natürlich gibt es auch Familien, die sich die Müllabfuhr leisten
können. Aber das sind die wenigsten. Fährt man mit dem Auto oder ist als
Fußgänger unterwegs schmeißt man seinen Müll einfach auf die Straße. Aber wohin
auch damit wenn es keine Mülleimer gibt? Wieso sollte man sich um den Müll
Gedanken machen wenn man täglich ums Essen kämpfen muss?
[ Der Fluss als Müllplatz ]
Top 4: Die Kinder und
das Waisenhaus
Ich kann nicht beschreiben, wie dankbar ich bin diese 9 Wochen
in Hattigauda verbracht zu haben. Auch wenn das Haus, die Bedingungen und vor
allem mein Bett alles andere als komfortabel waren, so bin ich doch unendlich
froh „durchgehalten“ zu haben.
Die Kinder sind fantastisch und gerade in den letzten 2
Wochen konnten viele Zweifel aus dem Weg geräumt werden. Ich hatte eine
wirklich tolle Zeit dort und ich habe miterlebt worum viele Menschen alltäglich kämpfen müssen, worüber wir uns überhaupt keine Gedanken machen.
Flop 4: Infrastruktur
Einen Zug gibt es nicht. Internationale Flughäfen? Nur in
Kathmandu. Über das Land verteilt kleiner Flughäfen, einen „größeren“ noch in
Phokara.
Die Straßen sind in erbärmlichen Zustand. Vor allem in
Kathmandu wird gebaut und gebaut. Am 31. August dreht Indien den Geldhahn zu.
Bis dahin fließt Geld zur Verbesserung der Straßen. Das bedeutet Bauen in der
Monsunzeit. Folgen: überflutete Straßen, unbefahrbare Abschnitte, Schlaglöcher
(teilweise einen Meter tief) auf jeder Strecke. Ganz zu schweigen von den
Fahrzeugen, die diese Straßen befahren, meistens Tata.
Eine Zuglinie gibt es sowieso nicht, es gibt nur eine
Strecke aus Indien an die nepalesische Grenze.
Wichtigstes Fortbewegungsmittel sind die eigenen Füße. Über
4000 Hängebrücken sind im Land verteilt. Waren werden zu Fuß von „Trägern“
transportiert. Nur große Mengen (Nahrungsmittel, Öl,…) werden aus dem Süden mit
buntbemalten Lastwagen nach Kathmandu gefahren.
[ Straße in Hattigauda ]
Top 5: Spenden
Mir bleibt nicht mehr, als im Namen aller „Danya Bad“ zu
sagen!
Jeder Cent wurde verwendet und kam 100% bei den Kindern an!
Flop 6:
Zukunftsaussichten
Das BIP pro Kopf liegt bei 626 $ pro Jahr. Damit liegt Nepal
auf Platz 167. 4 $ vor Afghanistan und 2 $ hinter Mali. Damit ist Nepal eines
der ärmsten Länder Welt. Ohne ausländische Entwicklungshilfe würde hier rein
gar nichts gesehen.
Und die Zukunft sieht nicht viel besser aus. Bürgerkriege
und die momentane politische Situation lassen nichts Gutes hoffen. Wichtigster Devisenbringer ist der Tourismus (50 Millionen Euro),
zweit wichtigster der Export tibetischer Teppiche (25 Millionen Euro). Dabei
sieht man schon, dass die Wirtschaft am Boden ist. Vom Norden wird Nepal von
China unterdrückt, im Süden hält Indien dagegen. Eingekeilt in die zwei
bevölkerungsreichsten Staaten der Welt gibt es keinen großen Spielraum für das
Land. Was Indien bzw. China sagt, muss getan werden.
Um das Land voranzutreiben muss erstmal eine stabile
Regierung her. Viele Nepalesen sind der Meinung, dass die einzige Möglichkeit
ein Diktator oder ein König ist. Aber letzteres ist mit den Maoisten nicht zu
machen, die weite Landesteile kontrollieren.
Freie Wahlen gibt es sowieso nicht.
Ausländische Investoren investieren keinen Cent in Nepal.
Das Geld landet nur im korrupten Staatsapparat. Eine Besserung ist nicht in
Sicht.